Die pawlow’schen Kinder

Moyale, Äthiopien – Kilometer: 15350 – Wetter: 25°C, heiter bis wolkig

Wer kennt sie noch, die klassische Konditionierung aus dem Bio-Unterricht? So in etwa kommt es einem vor mit den Kindern in Äthiopien. Überall tönt es „You, you, you“ und Kinder kommen gerannt, wo auch immer ein Mensch hellerer Hautfarbe in ihr Blickfeld gelangt. Und dabei haben einige gerade erst laufen gelernt, denkt man!

Tana-See

Unsere erste Station im Land heißt Gorgora. Hier soll es ein von Holländern geführtes Camp geben, direkt am See. Wir erhoffen uns nach einigen Bush Camps (campen in der Wildnis) und einschlägigen „Hotels“ Einiges davon.
Auf der Fahrt dorthin schlängeln wir uns langsam aber sicher hoch auf 2000m über dem Meer ins berühmte Hochland von Äthiopien. Hier wird es wunderar grün und wir passieren kleine Wälder und saftige Wiesen. Wie schön Grün sein kann nach der endlosen Wüste!
Nach Gorgaora führt abseits der Hauptstraße nur eine einzige Schotter-Piste. 50km für die wir fast 2 Stunden brauchen. Wir hoffen, es lohnt sich!
Im Camp angekommen, folgt die Ernüchterung. In 2 Jahren ist es hier bestimmt toll! Das Camp ist mehr eine Baustelle und von den Holländern gibt’s keine Spur, da einer von ihnen Malaria hat und sie nach Addis ins Krankenhaus fahren mussten. Aber die Lage direkt am See entschädigt und auch, dass es aus dem Dorf Bier-Lieferungen direkt ins Camp gibt. Auch Brot und Eier kann man „bestellen“. Wir bleiben wie die anderen 2 Nächte hier und spannen mal wieder aus.

Leider müssen wir danach unsere geplante Route über den Norden in die Simeon-Berge abbrechen, da die Straße einfach zu schlecht ist und wir den Busli nicht schon vor dem Norden Kenias – den berüchtigten schlechtesten 500km von ganz Afrika – kaputt fahren wollen.
Also geht es auf nach Bahir Dar, am südlichen Ende des Tana-Sees gelegen. Vorher besuchen wir noch Gonder, das sogenannte „Camelot“ Afrikas, besichtigen die Burgenanlage und kaufen etwas ein.
Von Bahir Dar fahren wir am nächsten Tag zu den Wasserfällen des blauen Nils, von denen leider nach Bau eines Elektrizitätswerkes jedoch nicht mehr viel übrig ist. Trotzdem ist es schön und wir finden ein nettes Platzchen für ein Picknick – allerdings erst, nachdem wir unsere Verfolger losgeworden sind: die Kinder. Schon beim Aussteigen aus dem Bus umlagern sie uns und folgen uns überall hin. Es sind bestimmt 20 an der Zahl und wir kommen uns vor wie auf einem Schulausflug. Ursprünglich wollten wir hier auch übernachten, aber das scheint unmöglich, es sei denn man lebt mit 20 kleinen Gesichtern, die einen permanent beobachten.
Auch ein Gefühl für höfliche Distanz ist offenbar eher etwas Europäisches, denn die Neugierigen kommen bis auf wenige Zentimeter an Autoscheibe und einen selbst heran (auch wenn man z.B. an der Strasse mal anhält um Brot oder Wasser zu kaufen). Also gehts zurück nach Bahir Dar und in den Hotelgarten, wo wir gestern schon waren.

Addis Abeba (heißt übrigens „Neue Blume“)

Wir brauchen 2 Tage nach Addis. Unterwegs sehen wir auch unseren Freund den Nil wieder, der sich hier auf 1000m Höhe durchs Gelände schlängelt. Wir befinden uns aber auf 2500m und so müssen wir wohl oder übel die 1500m Höhenmeter runter und wieder hoch, um die Schlucht zu durch- und die Nil zu überqueren.
Durch einen Zufall – wir treffen hier Gregor aus Deutschland, der hier für seine Diplomarbeit forscht und uns den Platz quasi vermittelt – campen wir dann in einem eingezäunten Bereich, welcher zur Verwaltung des Landkreises (oder wie man es hier nennt) gehört. Wieder haben wir es mit vielen Neugierigen zu tun, die bis spät abends und morgens schon um 6.30h um den Bus schleichen. Meistens schauen sie nur, wir haben aber aber an dem Abend auch noch nette Gespräche geführt – so gut es eben ging angesichts der Sprachunterschiede.
Am nächsten Tag besuchen wir auf dem Weg noch die Kirche von Debre Libanos. Es ist Sonntag morgen 8 Uhr und das gesamte Dorf ist vor der Kirche versammelt um zu beten. Ein beeindruckendes Schauspiel. Und zum ersten Mal beachtet uns keiner! Noch beeindruckender. Auf dem Rückweg zur Hauptstraße begegnet uns eine Horde Paviane, die aber ebenso keine Notiz von uns nehmen.

In Addis campen wir auf dem Parktplatz eines Hotels, was recht günstig ist und zentral gelegen. Wir wollen hier mal nach der gelben Versicherungskarte fragen, die den Bus eigentlich bis Südafrika komplett versichern soll (bisher war das immer pro Land einzeln fällig). Außerdem will Anne unbedingt „Lucy“ sehen – das ist quasi der Ötzi Afrikas.
In Addis ist es kalt. Zumindest gemessen an dem, was wir inzwischen gewohnt sind: 18 Grad und Nieselregen, pfui Spinne! Pfui sind auch die sanitären Anlagen des Hotels (zumindest die für Camper und die Zimmer ohne Bad). Das war das Schlimmste was wir bisher gesehen haben. Das „nationale Essen“, wie sie es nennen, wiederum im Hotel-Restaurant war ein Traum – und extrem günstig dazu!
Wir vertreiben uns irgendwie 3 ganze Tage in der Stadt. Das mit der Versicherung klappt nicht angesichts der äthiopischen Versicherungsgesellschaften – die Bürokratie siegt über unsere Geduld, fast wie daheeme in Deutschlad! Wir sehen auch „Lucy“ und sind schwer beeindruckt. Das Nationalmuseum ist zwar sehr klein, aber das Untergeschoss mit dem „Lucy Room“ ganz nett gemacht, ein bisschen wie im Naturkundemuseum in Berlin.

„Äthiopische Seenplatte“

Die Seen südlich von Addis sind berühmt für ihre Vogelvielfalt. Allerdings auch für Krokodile, Hippos und Bilharzia. Einzig der Langano-See soll frei sein von alledem und sicher zum Schwimmen.
An dem campen wir auch und bleiben, weil’s so schön ist, gleich 2 Nächte. Vögel gibt es hier wirklich viele, sie kommen auch einfach alle mal am Bus vorbei oder setzen sich gleich drauf. Auf dem See ziehen Pelikane ihre Runden und sogar ein Erdmännchen haben wir gesichtet.

Am Awasa-See können wir im Garten eines Hotels campen, der sich als wahres kleines Naturreservat erweist. Hier gibt es zahlreiche Wasser- und Greifvögel und Warane, die sich unten am Wasser auf den Steinen sonnen. Das Highlight sind jedoch die Affen, die neugierig um und über den Bus hüpfen und, wenn man nicht aufpasst, auch Essen daraus klauen! Es soll auch das seltene Kolumbus-Äffchen geben, wir sehen aber leider keins.
Am Abend machen wir uns aber dann per Boot auf, über den See, um die Nilpferde zu sehen, die es hier geben soll. Und wirklich, wir können ganz nah heran fahren und dann sehen wir sie! Wie auf Bestellung reißen sie ihre Mäuler auf. Eins schnauft und macht richtige Wellen. Unser 1. Bootsmann sagt, sie hätten Angst vor unserem Boot, aber das kann man sich nun wirklich nicht vorstellen. Schließlich sind wir nur einige Meter entfernt von einem der gefährlichsten Tiere Afrikas und uns ist etwas mulmig – nicht nur, weil außerdem kontinuierlich Wasser ins Boot läuft und der 2. Bootsmann offenbar nur dafür da ist, eben dieses mit einem kleinen Behälter wieder in den See zu verfrachten. Vielleicht hätten wir nicht den billigsten Anbieter nehmen sollen?

Der Süden bis Moyale

Während es in ganz Äthiopien nahezu unmgöglich ist, eine Blasen-Erleichterungs-Pause einzulegen – das ganze Land scheint eine riesige Ansiedlung zu sein, es sind einfach überall Menschen unterwegs, meist zu Fuß, gepaart mit dem fehlenden Gefühl für Abstand ist es schwierig, überhaupt eine Pause zu machen, ohne sofort mehrere Neugierige anzulocken – wird es im Süden plötzlich ungewöhnlich leer. Kurz hinter Mega begegnet uns nur noch vereinzelt überhaupt mal ein Mensch. Dafür verändert aich die Landschaft zusehens, die Erde wird wieder rot, dann mal wieder weiß, es gibt riesige Termitenhügel. Um 12h erreichen wir die Grenze. Leider ist Sonntag und die Passstelle macht erst wieder um 15h auf. Also heißt es warten und Zeit vertreiben, bis wir um kurz nach 3 schon Kenia erreicht haben.

Allgemein

Äthiopien ist ein sehr stolzes Land mit eigener Spache, Schrift, einem eigenen Kalender und sogar einer eigenen Uhrzeit. Um 6h morgens beginnt mit Sonnenaufgang die äthiopische Zeitrechnung. Nach einer Stunde Sonnenschein ist es 1 Uhr (7h) und um 12 Uhr (18h) geht die Sonne unter. Dann geht es von vorn los und eine Stunde nach Sonnenuntergang ist es wieder 1 Uhr (19h). Man muss also immer mal fragen, ob man eine äthiopische oder europäische Uhrzeit gesagt bekommt, wenn man nicht sicher ist.

Das „You, you you!“ der Kinder klingelt uns jetzt noch in den Ohren. Gepaart mit Worten wie „(Give me) money“ sind sie jedoch schnell auf taube Ohren unsererseits gestoßen. Was soll man denn antworten auf „You, money!“? Wir haben sicherlich Verständnis dafür, dass wir uns in einem sehr armen Land befinden, aber so fordernd zu sein… – das hat uns eher überfordert.

Definitiv ein Highlight ist auch das Parksystem. In Gonder werden wir 2 Mal „umgeparkt“, weil es angeblich immer, wo wir gerade standen, verboten war. Dort wo es dann erlaubt war, war auch sogleich eine freunliche Politesse vor Ort um Gebühren dafür zu kassieren.
Noch besser wurde es beim Ticketkauf für die Wasserfälle, als wir Parkgebühren dafür zahlen sollten, dass wir 1 Minute vor dem Ticketschalter standen und ein Ticket gekauft haben (Anne saß noch im Bus). Wie soll man denn hier ein Ticket kaufen _ohne_ zu „parken“?! Wir sprechen von vielleicht 25 Eurocents – aber trotzdem… mal im Ernst!

Insgesamt war das Land jedoch eine tolle Erfahrung, allein das Hochland mit all dem Grün und den Wahnsinns-Aussichten diese Reise wert!