Der kleine Unterschied…

Damaskus, Syrien – Kilometer: 7850 – Gemüt: heiter bis schäfchen-wolkig
… ist ein Ring am rechten Fleck. Es darf gratuliert werden! Wir sind nun ganz offiziell inoffiziell verheiratet. Ein Projekt, welches wir schon in der Türkei begonnen haben, ist nun vollendet. Die Zeremonie war kurz und schmerzlos – in einem Schmuckladen in Damaskus. Aber bevor die Muttis jetzt einen Herzinfarkt bekommen … das ist natürlich nur Fassade, da es Einiges erleichtert im Umgang mit den Menschen hier im arabischen Raum. Eine Notlüge quasi.

Syrien

Schon in der Türkei wurden wir immer mal wieder angesprochen und gefragt, ob wir verheiratet wären. Auf unser Nein gab es ungläubige Blicke und grosses Erstaunen, da man sich garnicht vorstellen konnte, wie das gehen kann: Wir zwei, zu zweit in dem Bus, unverheiratet. Auch im Reiseführer steht drin, dass es sinnvoll ist, das Verheiratetsein zumindest vorzutäuschen, um als Paar durchzugehen. In Damaskus haben wir dann einen Ring für Anne bekommen, der auch ein schönes Andenken an diese Stadt sein wird, die uns wirklich gut gefallen hat!

Aber von vorne. Die Einreise nach Syrien geht schneller als gedacht. Mit 1 Stunde und 45 Euro an Steuern und Versicherungen sind wir dabei. Plus 5 Euro Schmiergeld, damit es etwas schneller geht. Zum ersten Mal müssen wir unser Carnet de Passages (das Grenzdokument fürs Auto) rausholen. Ein netter Beamter geleitet uns durch die Formalitäten. Ein ganz schönes Hin- und Hergelaufe.
Die Einfahrt nach Syrien verändert aber wieder einmal alles. Kaum zu fassen, wie sich kurz nach der Grenze immer alles radikal ändert. Die Landschaft wird immer kärger, es wird zunehmend staubiger. Wir wollen Richtung Qual’at Salaam recht kurz hinter der Grenze, auf dem Weg soll noch eine kleine Stadt liegen. Dort wollen wir erstmal Bargeld abheben und etwas einkaufen. Das haben wir aber auch nur gedacht. In der „Stadt“ gibt es keinen Supermarkt, keine Bank. Nichts. Nur Wohnhäuser. Nur 20km rückwärts in der Türkei gab es noch Bim’s und Migros an jeder Ecke und Autogastankstellen alle 200m. Und ist die Welt schon komplett anders. Ausserdem sind wir schon ein paar hundert Meter abseits der Hauptstrasse völlig verloren, denn alle Schilder sind nun ausschliesslich in arabisch gehalten. Von einem Schild zur Sehenswürdigkeit keine Spur.

Also zurück zur Hauptstrasse und ab nach Aleppo. Hier überfällt uns Syrien mit einem heillosen Verkehrschaos. Alles ist 3-5 spurig, es gibt aber keine Spuren. Alle fahren, wechseln, wann und wo sie wollen. Dazwischen Fussgänger, denn Ampeln gibt es kaum. Mit Ach und Krach erreichen wir einen Parkplatz und sind erstmal fertig.
Mit Durchfragen und Hand-und-Fuss-Sprache finden wir dann einen Geldautomaten. Leider gibt’s mit keiner unserer insgesamt 6 Karten (wir sind ja auf alles vorbereitet) Bargeld. Auch lustig! Wir müssen unsere wertvollen Euros tauschen. Die sind eigentlich für den Notfall gedacht. Na das ist wohl einer.
Wir kramen ausserdem unser OhneWörterbuch mit Zeigebildchen raus, denn mit Englisch sind wir hier noch nicht weitergekommen.

Das hilft uns aber auch nicht weiter auf der Suche nach einem Campingplatz. Keiner kennt überhaupt das Wort Camping oder kann mit dem Bildchen von Zelt und Schlafsack irgendetwas anfangen. Wir parken notgedrungen in der Nähe eines Wohngebietes. Doch 2 mal werden wir – zwar sehr höflich und mit viel „Welcome to Syria“ – weggeschickt. „No sleep“. Einmal liegen wir sogar schon im Bett. Schon fast verzweifelt fahren wir hinter Aleppo wieder auf die Autobahn. Grosser Fehler. Es gibt keine Lichter, keine Leuchtstreifen weisen Ihnen den Weg. Der Gegenverkehr fährt – wohl aus diesem Grund – permanent mit Fernlicht. Hier und da fährt auch schon mal einer ganz ohne Licht oder in falscher Richtung und überall gibt es unbeschilderte Auf- und Abfahrten. Und alle Hupen wie wild um sich anzukündigen.
Letztendlich übernachten wir zwar sicher, aber doch eher ungemütlich an einer Autobahnraststätte, wenn man es so nennen darf. Der Tankwart ist echt freundlich, bringt uns noch einen Tee und fragt, wann wir geweckt werden wollen. Es übernachten auch diverse Trucker hier.

Am nächsten Tag wollen wir uns die sogenannten Toten Städte Serjillah und Al-Bara anschauen. Vorher noch ein Stop in Idleb. Wieder kein Bargeld, keine Touristeninfo und ein „No sleep car“, als wir bei einem Hotel nach Camping fragen.
Die Toten Städte wurden schon vor ca. 1500 Jahren verlassen und sind dennoch erstaunlich gut erhalten. Hier stehen teilweise noch komplette Häuser bis aufs Dach. Wieder ist es schwierig, diese auch zu finden, da alles extrem schlecht ausgeschildert ist. Mehr zufällig und dank sehr hilfsbereiter Menschen auf der Strasse finden wir dann doch hin. Uns ist nicht klar, wie so bedeutende historische Stätten nichteimal per Schild angekündigt werden können. Das ist doch sehr schade, da Touristen wie wir dann einfach machmal garnicht hinfinden, siehe Qual’at Salaam. Wenigstens aber kümmert sich jemand darum. In Al-Bara treffen wir Elvira, sie arbeitet im Auftrag der Unesco daran, die Städte ins Weltkulturerbe aufzunehmen. Und sie gibt uns den Tipp, es mit dem Campen mal am Meer zu versuchen. An der Küste sind auf ihrer Karte auch mehrere Campingplätze verzeichnet. Wir fotografieren die Karte ab und los geht’s.

Doch auch am Meer – absolute Fehlanzeige. Das gibt’s doch garnicht! Wir umkreisen mehrfach den Ort Amrit, wo ein Platz eingezeichnet ist. Manche schicken uns 2 km da lang, andere 4 km woanders hin, aber überall nichts. An einem Strandabschnitt, den wir zufällig finden, dürfen wir nicht bleiben. So schwer war es wirklich noch nie! Bei einer Strandbar in Tartus dürfen wir dann bleiben. Es gibt sogar Toiletten und eine improvisierte Dusche. Baden gehen ist für Anne etwas schwierig, da hier alle Frauen in kompletter Montour mit Kopftuch und langen Sachen ins Wasser gehen. Das ist zu respektieren und nicht im Bikini herumzutanzen. Damit tut man sich auch wohl mehr als Frau selber einen Gefallen. Zum Abend legt die Strandbar neben uns für komplette 4 Stunden mit suuuuper-lauter Musik im Bollywood-Stil los. Irgendwann nach 24h ist wieder Ruhe am Strand.

Auf nach Damaskus! Unseren Vorsatz, die Hauptstädte zu vermeiden können wir nicht aufrecht erhalten, wir haben ja schon Aleppo quasi verpasst, weil wir so schnell wieder draussen waren. Auf dem Weg dahin aber noch zum Craq des Chevaliers, einer ebenso erstaunlich gut erhaltenen alten Burg. In Damaskus wollen wir gleich von vornherein ein bestimmtes Hotel suchen. Aber man ahnt es schon – hoffnungslos. Irgendwann sehen wir ein Hotel und beschliessen einfach, da zu bleiben. Es stellt sich raus, dass das Hotel ein echter Glücksgriff ist. Nur 10 Minuten zu Fuss von der Altstadt. Das ist schonmal super! Das Zimmer ist nicht zu klein, hat ein Bad drinnen und sogar einen Balkon. Und ist echt günstig. Das Highlight ist aber die Polizeistation direkt darunter und dass der Busli sowohl in Sichtweite des Balkons, also auch in der des Polizei-Wachpostens steht. So sicher wie nie.
Die Altstadt ist wunderschön, man kann sich stundenlang in den Basaren und kleinen Gassen verlaufen und die Zeit vergessen. Die Umyyad-Moschee ist beeindruckend und die wichtigste und Grösste im arabischen Raum. Sie entstand auf den Mauern einer byzantinischen Kathedrale, die wiederum auf den Resten eines römischen Tempels aufgebaut wurde. Das alte Tor zum Tempel findet man noch direkt vor der Moschee. Wir bleiben 2 Nächte in der Stadt und verbringen die Zeit hauptsächlich mit bummeln und essen. An Bargeld vom Automaten sind wir auch noch gekommen, war aber nicht so einfach. So wird der erste Eindruck von Syrien doch wieder stark gradegebogen und wir sind froh, dass wir nicht gleich wieder geflohen sind (haben aber kurz dran gedacht).

Allgemein

„Welcome to Syria!“.  Das hört man hier überall. Die Menschen sind wahnsinnig freundlich und immer hilfsbereit. Kinder winken auf der Strasse und Erwachsene grüssen spätestens, wenn man selbst lächelt.
Hier kann unser Garmin mal zeigen was es wirklich kann, da mir mangels detaillierter Karten und ohne Navi inzwischen viel nach Himmelsrichtung und so Pi mal Daumen fahren. Klappt aber gut.
Zum Glück ist Benzin wieder günstig (ca. 60 Cent) und auch leben lässt es sich gut. Ein Schawarma oder Falafel auf die Hand kostet so 25 Cent, unter einem Euro in einem Imbiss mit hinsetzen. Super lecker sind die frisch gepressten Säfte, hmm.
Insgesamt hat es uns sehr gut gefallen, das Land ist eines der sichersten Reiseländer überhaupt.